Rente

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10. Die Unfallrentensätze: „Keine Rente bei Asbestose“

Auszug aus „Die „13“ – exemplarische Fälle zum Thema Arbeitsunfall, Wegeunfall und Berufskrankheit

Keine Rente trotz nachgewiesener Asbestose, die Knochentaxe der MdE.

Mögen auch jährlich Hunderte von Asbestosen aus einer beruflichen Asbestgefährdung herrührend von den Berufsgenossenschaften festgestellt werden, so bewilligen die Berufsgenossenschaften in den wenigsten Fällen hierfür eine Verletztenrente.

Bei minder schweren Asbestosen wird von einer abstrakten Schadensberechnung abgesehen, wie diese in der gesetzlichen Unfallversicherung gleichwohlzwingend geboten ist.

Abstrakte Schadensberechnung bedeutet zunächst, daß ein konkreter Verdienstausfall nicht Entschädigungsvoraussetzung bei der Verletztenrente ist.

Wer 100 % erwerbsgeschädigt ist, erhält 2/3 des Jahresarbeitsbruttoverdienstes als sogenannte Verletztenvollrente, und zwar gleichgültig, ob ein Verdienstausfall nach dem Unfall stattfindet oder nicht.
Der Arbeiter, der bei einem Arbeitsunfall den rech-

ten oder linken Daumen verliert, erhält hierfür eine Verletztenrente nach einer MdE (Minderung der Erwerbsfähigkeit) von 20 %, vereinfacht gesprochen also 20 % vom Monatsnetto jeweils gleich 20 % von 2/3 des Jahresarbeitsverdienstes brutto.

Man prüft also keinen konkreten Verdienstausfall, sondern ermittelt im Rahmen der sogenannten abstrakten Schadensberechnung, welcher Teil der Erwerbsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt durch die Folgen von Berufskrankheit oder Arbeitsunfall entfallen, und zwar prozentual gesehen.

Bei einer Staublunge wie der Asbestose oder der Silikose entfallen für den Betroffenen alle atemwegsbelastenden Arbeitsplätze und daraus errechnet sich dann abstrakt der Rentensatz, d.h. die MdE.

§ 56 Abs. 2 SGB VII wörtlich:
„Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf
dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens.“

Für den Betroffenen wird der allgemeine Arbeitsmarkt mit 1OO % bewertet, was die Zeit vor dem Unfall anbetrifft, und sodann der prozentuale Anteil an verlorenen Erwerbsmöglichkeiten zugrunde zu legen sein.

In der Zwischenzeit haben sich allerdings sogenannte Knochentaxen eingespielt bzw. MdE-Tabellen, deren Sätze kaum mehr etwas mit dem prozentualen Verlust an Erwerbsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu tun haben.

Gleichwohl sollen diese Sätze nachgerade rechtsnormähnlichen Charakter haben, was etwa die Behinderungsgrade (früher auch wörtlich MdE-Grade) der Versorgungsämter etwa anbetrifft.

Die Zahl der Erwerbsmöglichkeiten, die im Falle der Staublunge, Asbestose, Silikose, entfallen, entspricht etwa 1O Millionen Arbeitsplätzen atemwegsbelasten der Art in den alten Bundesländern.

Daraus würde sich eine satte MdE von vielleicht 3O % errechnen.

Statt dessen aber wird in der Praxis der minderen Asbestose oder Silikose sogar der Krankheitswert abgesprochen und erst recht die MdE verneint.

In den Knochentaxen der Unfallversicherung findet sich zur leichteren Asbestose oder Silikose kein Hinweis auf die anzunehmende MdE.

Deshalb sei auf die Knochentaxe der Versorgungsämter zu den ebenfalls früher auch MdE genannten Werten der Behinderungen zurückgegriffen, was die Krankheitsbilder der Asbestose, Silikose anbetrifft.

Obwohl für die Versorgungsämter in der Vergangenheit der gleiche Begriff MdE galt und die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Bereich der Versorgungsämter hergebracht sich zur MdE verhielten, wird in den Anhaltspunkten der Versorgungsämter die Asbestose oder Silikose leichterer Art mit O bis 1O % GdB / MdE-Grad bewertet..

Und zwar soll es Asbestosen und Silikosen geben, die keine wesentliche Einschränkung der Lungenfunktion mit sich bringen.

Gleichwohl handelt es sich um einen Körperschaden, der schwerer wiegt, als etwa ein Schnupfen oder eine Erkältung.

Deshalb kann der Krankheitswert der Staublunge nicht in Abrede gestellt werden.

Angeblich soll das Verschlossensein von atemwegsbelastenden Arbeitsplätzen für den Asbestose- oder Silikosekranken kein abstrakter Erwerbsschaden sein, sondern eine Maßnahme der Berufskrankheitsverhütung.

Wie mit dieser Argumentation die Mitursächlichkeit der Staublunge für den entstandenen abstrakten Erwerbsschaden in Fortfall kommen soll, erscheint als wenig einleuchtend.

Fazit ist aber, daß bei beginnender oder leichter Staublunge die Betroffenen um ihren Verletztenrentenanspruch gebracht werden.

Grundsätzlich beginnt die Rente der Berufsgenossenschaft bei einer MdE von 2O %.

Angeblich soll bei Staublungen ein Grad von 1O oder 15 %, der im Falle einer Stützsituation auf Grund zweier Versicherungsfälle der BG rentenerheblich sein kann, bei einer Asbestose oder einer Silikose berufsgenossenschaftlich nicht feststellbar sein.

Gerade aber hier kann man in den Röntgenbildern das Ausmaß der Staublunge ohne weiteres erkennen.

Jährlich sind es Hunderte von Staublungenkranken, denen die Verletztenrente von der Berufsgenossenschaft vorenthalten wird.

Nun aber zu den anderen Sätzen der Knochentaxe.

Querschnittslähmung oder Erblindung können 1OO % MdE auslösen, die Erblindung eines Auges bedingt 25 % Dauer-MdE.

War der Versicherte seit Kindestagen auf einem Auge blind und erleidet er durch Arbeitsunfall die Erblindung des anderen Auges, bedingt dies auch die MdE von 1OO % gleich die Vollrente.

Der Verlust eines Fingers kann 1O % MdE ausmachen.

Gesamt-MdE:
Werden durch den Arbeitsunfall verschiedene Körperteile oder paarige Organe betroffen, können sich Besonderheiten ergeben.

Beim Gesamtrentensatz werden Überschneidungen in den Auswirkungen der Unfallfolgen rentenmindernd berücksichtigt, während wechselseitige Verstärkungen gesamtgraderhöhend wirken.

Also kann der Gesamtgrad im Einzelfall über die bloße Addition, die angeblich unzulässig sein soll, hinausgehen.

Eine wechselseitige Verstärkung kann dann gegeben sein, wenn der Betroffene nicht durch ein anderweitig gesundes Körperteil den Schaden zu kompensieren imstande ist.

Eine neurologische und chirurgische MdE für einen gebrauchsuntauglichen Unfallarm können sich deshalb
überschneiden, weil die nervliche Beeinträchtigung genauso die Gebrauchsfähigkeit des Armes aufheben kann wie die Knochenschädigung.

Beim Unterschenkelverlust bestehen Unterschiede in der Praxis der Berufsgenossenschaften und der Versorgungsämter.

Die Versorgungsämter bewerten den Unterschenkelverlust mit 5O % GdB / MdE,. während der gleiche Körperschaden bei der Berufsgenossenschaft nur 4O % ausmachen soll.

Dabei sind die Bewertungsgrundsätze in der Vergangenheit gleich gewesen, weshalb diese Besonderheit bzw. Rentenkürzung in der Unfallversicherung nicht überzeugt.

Beim Unterschenkelamputierten handelt es sich um den klassischen Fall einer Schwerbehinderung.

Lärmschwerhörigkeiten beginnend bis mittelgradig ergeben eine MdE von 2O %, die bei Hinzutritt von Ohrgeräuschen erhöht werden kann.

Berufliche Hauterkrankungen können 3O % MdE ausmachen.

Im Falle besonderer beruflicher Betroffenheit ist eine Erhöhung des Rentensatzes angezeigt.

Beispiele:
Der durch einen versicherten Taucherunfall durch eine Gehirnembolie tetraplegisch und hirnleistungsmäßig geschädigte Diplom-Ingenieur erhält einen MdE-Zuschlag, wenn für hin auf Grund dessen die Möglichkeit entfällt, als DiplomIngenieur zu arbeiten.

Das Gleiche gilt für den Flugkapitän, der durch den Überfall ein Schädelhirntrauma erleidet und nicht mehr flugtauglich ist.

Rechtsweghinweis:
Bei der Festsetzung des Rentengrades, ob Einzelgrad oder Gesamtgrad, empfiehlt es sich genau hinzusehen und gegebenenfalls den Rechtsweg einzuschlagen. Es stehen die Rechtsbehelfe des Widerspruches, der Klage, der Berufung etc. zur Verfügung. Schlimm ist es, wenn eine Berufsgenossenschaft einwendet, die berufliche Lungenerkrankung sei nicht während der versicherten Tätigkeit, sondern erst nach deren Ende aufgetreten, Fall der Spätfolge.

In solchem Fall sollte auf jeden Fall geklagt werden.

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Krankenheiten, die durch den Asbeststaub verursacht wird

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