European Conference on Asbestos
Rome, 04. – 06.12.2006
In the frame of the EU – LIFE Project
Mängel der deutschen Berufskrankheitenentschädigung von Asbestose der Lunge und Pleura, Asbestlungenkrebs (und Asbestkehlkopfkrebs) sowie Mesotheliom der Pleura, des Bauchfells, des Herzbeutels (Die Fälle der selbst an einem Mesotheliom erkrankten Ehefrauen von Asbestwerkern, die Fälle der 30 Jahre später asbestkrebskrank werdenden Kinder von Asbestwerkern und die Nachbarschaftsfälle aus der Umgebung von Asbestfabriken werden in Deutschland nicht einmal gezählt, minimal 300 Fälle jährlich, die unentschädigt bleiben)
Der Bericht des Europäischen Forums der Versicherung gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten von April 2006 hat einen drastischen Eingriff in die deutsche Entschädigungspraxis von Asbesterkrankungen ans Licht gebracht.
Während bei den Asbestlungenkrebserkrankungen die Fälle aus Frankreich steil ansteigen, bricht in Deutschland die Entschädigungskurve bei Erreichen von jährlich 800 Lungenkrebsfällen jäh ab.
Während in Frankreich die 1.000 Fälle jährlich in steiler Kurve überschritten werden, gelingt es den deutschen Berufsgenossenschaften, die Entschädigungszahlen deutlich unter der Marke von 800 Fällen jährlich zu halten.
Dies kann nicht mit rechten Dingen zugehen.
Denn in den 90er Jahren wurde durch Erweiterung der Berufskrankheitenverordnung die Entschädigung von Asbestlungenkrebsfällen in Deutschland rechtlich erleichtert.
Statt des bis dahin geforderten Nachweises von Lungen- und Pleuraveränderungen zusätzlicher Art sollten mit Rückwirkung ab 01.04.1988 nunmehr auch die Fälle entschädigt werden, bei welchen diese Brückensymptome zwar nicht vorlagen, aber 25 sogenannte Asbestfaserjahre gezählt wurden.
Die Entschädigungszahlen hätten sich also verdoppeln oder verdreifachen müssen, statt einfach abzubrechen.
Blatt 14, 15 des Berichts des Europäischen Forums von April 2006 zeigen die Zahlen und Kurven der Asbestlungenkrebsfälle.
Wie man in Deutschland berufsgenossenschaftlich den Einbruch der Entschädigungspraxis bewerkstelligt hat, erhellt aus zwei anderen Statistiken aus dem selben Heft des Europäischen Forums April 2006.
So gelang es den deutschen Berufsgenossenschaften gemäß Seite 12, 13 des Berichts des europäischen Forums, den Anstieg der Asbestosen zu stoppen und sogar deutlich zureduzieren, obwohl das Gegenteil arbeitsmedizinisch zu erwarten gewesen wäre.
Entgegen also aller wissenschaftlichen Erwartung wurden die Fälle der Brückensymptome weniger bzw. nunmehr die Fälle der Asbestose bzw. Minimalasbestose der Lunge.
Ohne etwa damals in eine Berufskrankheitsverhütung eingetreten zu sein, was auch rückwirkend ohnehin nicht möglich gewesen wäre, gelang es den Berufsgenossenschaften dann auch, die Zahl der Pleuraplaques statistisch in der Kurve einzufrieren, etwa zum gleichen Zeitpunkt wie bei dem Einbruch der Fälle des Asbestlungenkrebs und der Asbestose der Lunge.
Während die Fälle der Pleuraplaques in Frankreich in steiler Kurve schließlich 3.500 Fälle etwa ausmachen, bricht die Kurve in Deutschland etwa bei 1.250 Fällen jährlich ein, ohne sich davon zu erholen.
Mithin kann man sehr deutlich zeitlich eingrenzen, ab wann die Berufsgenossenschaften in Deutschland ihre Entschädigungspraxis geändert haben und den Lungenasbestosen sowie den pleuralen Veränderungen sowie den Asbestlungenkrebsfällen in einem Großteil der Fälle die Asbestursächlichkeit absprachen.
Von da an beherrschte offenbar der Begriff der idiopathischen Lungenfibrose das Feld, einer Lungenfibrose, deren Ursache man nicht zu kennen angab.
Der Begriff der idiopathischen Lungenfibrose trat verstärkt in Gutachten des Deutschen Mesotheliomregisters auf, einer berufsgenossenschaftlichen Einrichtung.
Diese Einrichtung aus Bochum hatte es zwischenzeitlich dazu gebracht, gewissermaßen eine Monopolgutachterstelle zu sein für Gutachten in Mesotheliomfällen, aber auch in Asbestlungenkrebserkrankungsfällen und sogar in den Asbestosefällen.
Obwohl die Berufsgenossenschaften auch in den Todesfällen ein Gutachterauswahlrecht anzubieten gehabt hätten, § 200 Abs. 2 Sozialgesetzbuch VII in Deutschland, geschah dies zumeist nicht bzw. in einem großen Teil der Fälle nicht, zum Teil sogar mit gerichtlicher Billigung, hier durch den 17. Senat des Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen.
Angeblich wäre das Mesotheliomregister so erfahren und so sachkundig, daß man des Angebots der Gutachterauswahl gemäß § 200 Abs. 2 SGB VII nicht bedürfe.
Fazit: Nicht die Zahl der Asbestlungenkrebsfälle, der Lungenasbestosen und der Pleuraasbestosen wurden weniger, diese Fallzahlen stiegen nach aller Einschätzung stark an, sondern es waren die berufsgenossenschaftlichen Eingriffe in die Entschädigungspraxis, die das Leid der Betroffenen nur mehr verschärften, indem zahlreiche entschädigungsreife Fälle der Ablehnung zugeführt worden sein müssen, und zwar in der Methode wie dargelegt.
Die Zahlen sprechen eine so deutliche Sprache, daß man von einem berufsgenossenschaftlichen „Kartell“ sprechen muß, das stillschweigend über berufsgenossenschaftliche Einrichtungen gefördert wurde oder sogar ausdrücklich.
Jedenfalls ist es eine Untersuchung wert, bis hin zu einem parlamentarischen Untersuchungsausschuß, der zu bilden wäre, und zwar zu dem Thema, wie es denn zu dem vorzeitigen Rückgang der Asbesterkrankungsfälle gekommen ist.
Ein Skandal ist weiter, daß man in Deutschland berufsgenossenschaftlich die Fälle nicht erfaßt, wenn nun die Ehefrau des Asbestwerkers an einem Asbestmesotheliom erkrankt oder 30 Jahre später das Kind des Asbestwerkers aufgrund des Asbestkontakts tödlich erkrankt, wobei die Ehefrau die asbestkontaminierte Arbeitskleidung ihres Mannes gereinigt hatte, das Kind dabeistand oder den Vater am Arbeitsplatz besucht hatte. Minimal geschätzt, dürften es sich um 300 Mesotheliomfälle jährlich handeln, wo ein Betroffener „wie ein Versicherter“ zu Schaden kam, § 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch VII in Verbindung mit der Berufskrankheitenverordnung, dort die Listen-Nr. 4105 (Mesotheliom).**
** Die obigen rechtlichen Ausführungen stellen naturgemäß keine Rechtsberatung dar, sondern sollen lediglich als erste Information und Orientierung dienen. Dabei ist zu beachten, dass sich die Rechtslage auch jederzeit ändern kann und die obigen Ausführungen insofern nicht in jedem denkbaren Fall die jeweils aktuellste Rechtslage darstellen können.
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